Buchbesprechung: Funktionales Sehen
Diagnostik und Interventionen bei Beeinträchtigungen des Sehens
Autoren: Anne Henriksen, Frank Laemers
In drei Teilen geben die Autoren wieder,
- was „Funktionales Sehen“ meint, welche Bedeutung und Auswirkungen es in verschiedenen Lebenssituationen hat (Kindheit, Jugend, Alter, für mehrfach beeinträchtigte Menschen),
- wie und mit welchen Mitteln funktionale Sehfähigkeiten festgestellt werden (Diagnostik) und
- mit welchen Maßnahmen (Interventionen) geholfen werden kann oder was berücksichtigt werden muss.
Der Grundansatz der Autoren lässt sich im folgenden Zitat aus den Schlussbemerkungen erkennen: „Erst die enge Kooperation mit den Betroffenen und Personen aus deren Umfeld stellt die Arbeitshypothesen und Erkenntnisse in einen sinnvollen Zusammenhang. Es ist das Ziel der Abklärung des funktionalen Sehens und der damit einhergehenden Interventionen, Menschen mit Beeinträchtigungen des Sehens in die Lage zu versetzen, ihr Sehen im Alltag bestmöglich einzusetzen.“ Anhand des Faktorenmodells von Anne Corn (1983) wird aufgezeigt, dass das Sehen durch visuelle Fähigkeiten sowie individuelle Voraussetzungen und Umweltbedingungen beeinflusst wird.
Beim Konzept des „Funktionalen Sehens“ werden diese Faktoren und Fähigkeiten in alltäglichen Situationen (Spielen, Lesen, Arbeiten, Schreiben, Bewegen) und Räumen (zu Hause, Kindergarten, Schule, Arbeitsstelle) betrachtet. Dabei soll die Diagnose mit einer nicht anstrengenden Wahrnehmung bzw. Sehen erfolgen und festgestellt werden. Sozialrechtliche und ICD-Klassifikationen der Weltgesundheitsorganisation werden auch dargestellt. Wer mehr über den Aufbau des Auges und die Wahrnehmungsverarbeitung im Gehirn erfahren möchte (Schlagwort zerebral bedingte Sehbeeinträchtigung – CVI), wird hier in einer auch für Nicht-Experten verständlichen Sprache informiert und mit klaren Schaubildern versorgt. Im zweiten Teil erhalten die Leser*innen mittels Tabellen und Checklisten einen schnellen Überblick über die genannten Bereiche und Diagnoseaspekte. Man erfährt, welche funktionalen Wahrnehmungsfähig- und -fertigkeiten – und eben nicht nur der reine medizinische Augenzustand – untersucht bzw. beobachtet werden können und welche Feststellungswerkzeuge (Tests, Diagnose-Hilfsmittel) den beteiligten Fachleuten zur Verfügung stehen.
So wird offensichtlich, dass visuelle Suchstrategien und -folgebewegungen, Formerkennung, Farbwahrnehmung, Kontrastempfindlichkeit oder Vergrößerungsbedarf für das alltägliche Sehen und Handeln oft bedeutender sein können als medizinisch feststellbare Sehschärfenwerte. visus 2/2018 45 Buchbesprechung Das Thema Barriere-abbauende bzw. ausgleichende Maßnahmen behandelt u.a. die „glorreichen Fünf“: Vergrößerung, Kontrastverbesserung, Beleuchtung, Vereinfachung des Komplexen und Platzierung. Hierzu werden praktische Vorgehensweisen mit Bild und Text erläutert, u.a. Hilfsmittel, Farbgebung, Beleuchtung, Übersichtlichkeit und Ordnung schaffen, Anordnung und die Position angebotener Gegenstände. Es wird auf frühkindliche und vorschulische Seherziehung (Frühfördermaßnahmen) ebenso eingegangen wie auf schulische Maßnahmen und Unterstützung; dabei spielt für die Autoren das Training des Einsatzes von Hilfsmitteln wie Lupen, Lupenbrillen (s. Buch-Tipp rechts), Bildschirmlesegeräten und Monokularen eine wichtige Rolle.
Darüberhinaus wird auch auf das Lesen bei exzentrischer Fixation, Nystagmus oder zerebral bedingter Sehbeeinträchtigung eingegangen. Im Anhang gibt es noch Informationen zu einigen Augenerkrankungen und Syndromen.
„Funktionales Sehen“ Anne Henriksen, Frank Laemers Verlag: edition bentheim, Würzburg ISBN 978-3-834471-00-9 281 Seiten; 39,50 Euro
UZ
„Frieda und der kleine Hase“
Autorin: Anne Henriksen
Wer sich für kindgerechtes Hilfsmitteltraining interessiert oder eines plant, kommt an „Frieda und der kleine Hase“ nicht vorbei – dem kleinen Praxisbuch zur Einführung der Lupenbrille. Lupenbrillen – oft nur selten verordnet und beschafft – sind nicht ganz einfach zu handhaben, da ein bestimmter Beobachtungsabstand genau eingehalten werden muss. Zudem ist, wie bei allen optisch vergِrößernden Hilfsmitteln, der Seh-Ausschnitt eher klein.
Eine Einführung für jüngere Kinder in das Thema „Lupenbrille“ und die ـbung ihrer Handhabung finden statt während des Lesens der Geschichte von Frieda, die den Hasen Maxi trifft, mit ihm seinen Geburtstag feiert und auf Reisen geht. Die Rahmengeschichte ist mit kontrastreichen und klar strukturierten Bildern illustriert, die zum Betrachten und Suchen mit der Lupenbrille auffordern.
Nach jeder der drei Episoden folgen drei Seiten mit Fehlersuchbildern, die zum üben mit der Lupenbrille einladen. Weiterhin gibt es farbige Kopiervorlagen zum Ausschneiden der in der Geschichte erwähnten Dinge, die in die Geburtstagswunsch- und Reisepackliste geklebt werden sollen.
„Frieda und der kleine Hase“, Anne Hendriksen
ISBN 978-3-934471-01-6, Verlag: edition benthei, Würzburg
44 Seiten, 9,50 Euro
UZ